Stammtisch 12. Mai 2022

Der CIHD veranstaltete einen Online-Vortrag zur Analyse der chinesisch-deutschen Wirtschaftsbeziehungen

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Der CIHD veranstaltete einen Online-Vortrag zur Analyse der chinesisch-deutschen Wirtschaftsbeziehungen

In diesem Frühjahr erlebte Shanghai eine beispiellose Pandemiekrise: Flüge wurden eingestellt, Schiffe sind im Hafen gestrandet, die Bevölkerung wurde unter Quarantäne gestellt – die Geschäfte vieler Unternehmen wurde hart getroffen. Für deutsche Unternehmen, die in China investieren oder Geschäfte mit China tätigen, waren alle Geschäftsaktivitäten stark eingeschränkt. Am 12. Mai 2022 organisierte der chinesischer Industrie-...

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In diesem Frühjahr erlebte Shanghai eine beispiellose Pandemiekrise: Flüge wurden eingestellt, Schiffe sind im Hafen gestrandet, die Bevölkerung wurde unter Quarantäne gestellt – die Geschäfte vieler Unternehmen wurde hart getroffen. Für deutsche Unternehmen, die in China investieren oder Geschäfte mit China tätigen, waren alle Geschäftsaktivitäten stark eingeschränkt. Am 12. Mai 2022 organisierte der chinesischer Industrie- und Handelsverband e.V. in Deutschland einen Online-Vortrag für deutsche Unternehmen zur aktuellen Situation. Als Referent hat Prof. Wolfgang Luan, Präsident des CIHDs und geschäftsführender Gesellschafter der Famous Industrial Group die aktuelle politische und wirtschaftliche Lage in China ausführlich erläutert und analysiert. Danach hat er noch Anregungen und Meinungen von seiner Seite dargelegt, wie sich deutsche Unternehmen auf dem chinesischen Markt weiterentwickeln können. Teilnehmer der Veranstaltung war auch Prof. Hermann Simon, der mit dem Konzept der „Hidden Champions“ internationale Bekanntheit erlangt hat und der auchGründer und Ehrenvorsitzender von Simon Kucher & Partners ist.

Prof. Wolfgang Luan pendelt seit 30 Jahren zwischen China und Deutschland. Er hat ein tiefes Verständnis für Geschichte, Politik, Wirtschaft und Kultur sowohl von China als auch von Deutschland. Aufgrund der Pandemie hielt er sich von September 2020 bis November 2021 in China auf, während diesem Aufenthalt hat er viele Veränderungen in verschiedenen Aspekten Chinas erfahren. Nach seiner Rückkehr nach Deutschland konzentriert sich Prof. Luan auf die Entwicklung der chinesisch-deutschen Beziehungen und hofft, seine Forschungen und Erfahrungen mit allen teilen zu können. Vor dem Bericht von Prof. Luan erörterte Herr Alexander Zisser, stellvertretender Geschäftsführer der Famous Industrial Group, die Entwicklung der chinesischen Außenwirtschaft, die Chinapolitik Deutschlands und der Vereinigten Staaten, Chinas Reaktion auf die wachsende Konkurrenz mit den Vereinigten Staaten, den Ukraine Krieg und die Realität in China in der die Politik Vorrang vor der Wirtschaft hat. Es wurde in mehreren Aspekten dargelegt, wie man damit umgehen kann (Den vollständigen Bericht finden Sie im Anhang des Berichts)

Zu Beginn des Berichts stellte Prof. Luan die allgemeine Situation chinesischer Unternehmen vor, die in Deutschland investieren. Laut dem aktuellen „Auslandsinvestitionsbericht 2021 in Deutschland“ der Bundeswirtschaftskammer, wurden im vergangenen Jahr insgesamt 1.806 Greenfield- und Brownfield-Investitionen (Neuinvestitionen in bestehende Infrastruktur) in Deutschland getätigt, eine Steigerung von mehr als 7% im Vergleich mit 2020. Damit erreichte man fast das Niveau vor der Pandemie (2019, damals waren es 1851 Projekte). Innerhalb dieser liegt die Zahl der chinesischen Investitionsprojekte in Deutsch-land mit 149 immer noch auf dem dritten Platz (170 im Jahr 2020). Dem Bericht zufolge sind die wichtigsten Branchen, in die chinesische Unternehmen investieren, der Maschinenbau und die Ausrüstung (16%), Automobile (13%), Konsumgüter und Lebensmittel (13%), Informations- und Kommunikationstechnologie, Software (11%) sowie das Transportwesen, Lagerhaltung und Logistik (10%), Elektronik- und Halbleiterindustrie (9%), Geschäfts- und Finanzdienstleistungen (9 %) und Pharma & Biotechnologie (8%). Die Bereiche, in denen die meisten chinesischen Unternehmen tätig sind, sind Vertriebs- und Marketingunterstützung (40 %), Fertigung und F&E (22 %), Logistik (13 %) und Unternehmensdienstleistungen (9 %). Obwohl sowohl Chinas als auch Japans Investitionen in Deutschland im vergangenen Jahr aufgrund der Pandemie deutlich zurückgegangen sind, ist Deutschland im europäischen Vergleich immer noch das bevorzugte Land für chinesische Investoren.

In Bezug auf die zunehmend angespannten chinesisch-amerikanischen Beziehungen sagte Prof. Luan, dass Chinas Aufstieg aus der Perspektive der Wirtschafts- und Handelsbeziehungen verschiedener Länder nicht nur die chinesisch-amerikanischen Beziehungen verändert, sondern auch die Beziehungen zwischen China und anderen Staaten neu definiert. Ein Beispiel ist der internationale Handel: Als China 2001 der WTO beitrat, waren die USA für die meisten Länder Handelspartner Nummer eins, heute ist China der wichtigste Handelspartner für viele Länder. Aus Sicht der Weltwirtschaftsstruktur hat China die USA als Hauptmotor des globalen Wirtschaftswachstums abgelöst. Seit der Großen Rezession im Jahr 2008 hat China ein Drittel des weltweiten BIP-Wachstums erwirtschaftet. Wenn also Länder auf der ganzen Welt ihr erwartetes Wachstum für das kommende Jahr einschätzen, fällt einem zuerst China ein. China wurde 2010 zum weltweit größten Hersteller und machte 2019 29% der globalen Wertschöpfung im verarbeitenden Gewerbe aus, was einer Steigerung von 20 Prozentpunkten gegenüber 2000 entspricht. In diesem Zeitraum fiel der globale Anteil der USA von 26% auf 18%. Seit der Öffnung der chinesischen Regierung in den 1980er Jahren haben westliche Unternehmen Chinas billige Arbeitskräfte und den riesigen Markt genutzt und eine große Anzahl von Unternehmen ist in den chinesischen Markt eingetreten, was es chinesischen Unternehmen ermöglicht hat, fortschrittliche Technologie und Arbeitsweisen zu erhalten. Zudem wurde das Leben der einfachen Leute stark verbessert. Auf der anderen Seite hat die überwiegende Mehrheit der ausländischen Unternehmen erhebliche Gewinne erzielt. In China sagt man zu diesem Win-Win Szenario, dass damit fünf Fliegen mit einer Klappe geschlagen wurden.

Prof. Luan sagte in dem Bericht, dass die Welt seit dem Amtsantritt von Donald Trump in den Vereinigten Staaten sich deutlich verändert habe. Eigentlich sei die Welt eine große Familie, aber aufgrund von geopolitischen und militärischen Situationen kam es zu enormen Veränderungen – insbesondere die Osterweiterung der NATO, die zum Ausbruch des russisch-ukrainischen Krieges geführt habe. Die Europäische Union und die USA haben Wirtschaftssanktionen gegen Russland verhängt, zudem hat die neue Corona-Virus-Pandemie massive Auswirkungen auf die Weltwirtschaft, was die Lieferketten deutscher Unternehmen erschwert und die Energiepreise in die Höhe getrieben hat. Als Unternehmer sollten wir uns ernsthaft Gedanken über die Richtung der Entwicklung deutscher Unternehmen machen. Prof. Luan äußerte sich einschlägig zum Markt und Geschäft deutscher Unternehmen in China: 1. Chinas Wirtschaftskraft und die Qualität seiner technologischen Produkte seien viel höher als die anderen Schwellenländer wie z.B. Indien. Durch eine Investition in die Produktion in China kann eine Qualität gemäß deutschem Standard sichergestellt werden. 2. Es ist notwendig, die Ausrüstung kontinuierlich zu aktualisieren, F&E und Innovation sind immer die beste Wahl für Unternehmen, um auf dem Markt bestehen zu können. 3. Die Produktqualität und der Ruf von Joint Ventures ist in den Köpfen chinesischer Kunden höher gegenüber reinen Inlandsprodukten und es gibt Raum für Verbesserungen bei Preisen und Gewinnen im Vergleich zu rein chinesischen Unter-nehmen. 4. Aufgrund der Pandemie wurden die Lieferketten stark beeinträchtigt. Der Krieg in der Ukraine, die Energieknappheit und geostrategische Überlegungen führen zu Erwägungen aller Länder, Investitionen aus dem Ausland abzuziehen, was die chinesische Regierung dazu veranlasst, den internen Zirkulationsmarkt in den nächsten Jahren als nationale wirtschaftsstrategische Richtung einzuschlagen. Daher ist es sehr wichtig, Standorte vor Ort in China zu errichten. 5. Wichtig sind loyale und vertrauensvolle Manager deren Gehälter an die eigene Leistung gebunden wird und es ist am besten, Anteile des Unternehmens an die Mitarbeiter zu verteilen, um das Ziel zu erreichen, die Interessen des Managements an jene des Unternehmens zu binden. 6. Diesem Punkt ist besondere Aufmerksamkeit zu schenken: die Zahlungsmoral chinesischer Unternehmen. Diese werden grundsätzlich nicht vertragsgemäß ausgeführt und es muss im Voraus ein Plan erstellt werden, wie damit umgegangen werden kann.

Prof. Simon stellte in der im Anschluss an den Vortrag stattfindenden Q&A-Runde eine politische Frage: Wird der russisch-ukrainische Krieg den Prozess der militärischen Wiedervereinigung Taiwans durch China beschleunigen? Prof. Luan antwortete, die Ukraine sei nicht dasselbe wie Taiwan. Die Ukraine sei ein souveränes Land, Taiwan selbst sei ein Teil Chinas, Chinas territoriale Integrität und Souveränität seien unantastbar. Aus Sicht von Prof. Luan strebt China eine friedliche Lösung der Taiwanfrage an – es sein denn, Taiwan erklärt sich offiziell für unabhängig. Für diesen Fall hat die V.R. China schon immer eine militärische Intervention angekündigt. Prof. Simon wies auch auf den Punkt hin, dass China Russland seit Ausbruch des russisch-ukrainischen Krieges nicht direkt beschuldigt hat. Prof. Luan antwortete offen, dass China nicht bevorzugt mit Russland kooperieren möchte, aber es gebe keine andere Wahl, weil Russland jetzt sanktioniert werde und China möglicherweise das nächste sein könnte, das sanktioniert wird. Über allen geht es nach Ansicht von Prof. Luan letztlich um die Beziehungen zwischen China und den USA. Europa sollte stets die eigenen Interessen im Blick haben und seine eigene Situation in den Mittelpunkt stellen. Europa sollte nicht dem Wind, der aus den USA weht, folgen, sondern sollte die freundschaftlichen Beziehungen zu China vertiefen und die beste Wahl im Einklang mit den nationalen Interessen treffen.

Vor dem Ende der Veranstaltung kam Prof. Luan zum Schluss, dass selbst wenn sich die chinesisch-amerikanischen Beziehungen weiter verschlechtern, selbst wenn China mit umfassenden Sanktionen des Westens konfrontiert wird, es mehr Spielraum für Gegenmaßnahmen haben wird als Russland – aber wenn der Westen und China diesen Punkt erreicht haben, an dem sowohl die sanktionierte Seite als auch die sanktionierende Seite aufgrund dieser Konfrontation schwere Verluste erleiden, ist es zum Schaden von beiden Seiten. Was die Verluste in Europa betrifft so werden sie schwerwiegender sein als die der Vereinigten Staaten von Amerika, weil das europäische BIP sehr stark vom Exporthandel nach China abhängt, der 17,6% des europäischen BIP ausmacht.

Zusammenfassend lässt sich sagen: Auch wenn sich die internationale Situation ständig ändert, sollte die wirtschaftliche Abhängigkeit Europas, insbesondere Deutschlands, von China unbedingt berücksichtigt werden, so dass Investitionen in oder die Entwicklung von Märkten in China an sich kein großes Risiko darstellen, sondern sind gerechtfertigt, wenn sie von der der richtigen China-Strategie begleitet werden.

Mit einer regen Diskussion ging der Online-Vortrag zu Ende und bei der nächsten Online-Veranstaltung des CIHDs werden sich alle wiedersehen.

Die Veranstaltung endete erfolgreich in einer herzlichen Atmosphäre, und alle Teilnehmer freuen sich bereits auf das nächste Webinar.

Quelle: CIHD

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