Interview mit Felix Neugart, CEO von NRW. Global Business

Interview mit Felix Neugart, CEO von NRW. Global Business

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CIHD: Herr Neugart, Sie sind seit letztem November neuer Geschäftsführer der neuen Gesellschaft zur Außenwirtschaftsförderung des Landes NRW. Können Sie unseren Lesern bitte kurz die Organisation vorstellen?

NRW. Global Business ist als neue Gesellschaft zur Außenwirtschaftsförderung des Landes Nordrhein-Westfalen Ende 2020 aus den beiden bisherigen Organisationen NRW. Invest und NRW. International entstanden. Die Landesregierung hatte beschlossen, die Außenwirtschaftsförderung mit einem umfassenden Ansatz unter einem Dach weiterzuentwickeln.

NRW. Global Business ist Partner für nationale und internationale Unternehmen bei der Ansiedlung in Nordrhein-Westfalen sowie bei der Erschließung von Auslandsmärkten für nordrhein-westfälische Unternehmen. Wir verfolgen dabei eine umfassende Perspektive des Standortmarketings. Wir richten unsere Aktivitäten nicht nur auf potenzielle Partner in den Zielländern aus, sondern fokussieren uns auch verstärkt auf Zukunftsthemen wie Digitale Technologien, Erneuerbare Energien, Neue Mobilität oder Medizintechnik.

CIHD: Was für Vorteile hat es Ihrer Meinung nach, die vormalige NRW Invest und NRW International wieder unter einem Dach zusammenzubringen? Besonders jetzt, in der Covid-19 Zeit?

Durch die Fusion gewinnen wir an Effizienz und schaffen wertvolle Synergien, mit denen wir unseren Wirtschafts- und Innovationsstandort im weltweiten Wettbewerb künftig noch erfolgreicher positionieren können. Mit knapp 100 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern in Düsseldorf und in unseren 16 Auslandsbüros sowie einem starken Partnernetzwerk unterstützen wir zielgerichtet internationale Investoren und NRW-Unternehmen.

Zum Beispiel können wir beim Standortmarketing im Ausland das Incoming- und Outgoing-Geschäft optimal miteinander verbinden: Auf der einen Seite bewerben wir den Investitionsstandort Nordrhein-Westfalen bei internationalen Unternehmen und auf der anderen Seite unterstützen wir innovative Firmen aus Nordrhein-Westfalen beim Aufbau ihres Auslandsgeschäfts.

Gerade jetzt in Pandemie-Zeiten wollen wir die Wirtschaft unseres Landes international bestmöglich aufstellen. Denn nur mit einem starken, von Innovationen getriebenen Exportgeschäft und einer attraktiven Positionierung als Investitionsstandort für ausländische Unternehmen können wir rasch wieder Impulse für einen Aufwärtstrend der gesamten Wirtschaft setzen.

CIHD: Wie schätzen Sie die aktuelle Entwicklung in den Wirtschaftsbeziehungen zwischen NRW und China ein?

China und Nordrhein-Westfalen verbindet seit Jahrzehnten eine enge Wirtschaftspartnerschaft, die stetig wächst. China ist unser zweitwichtigster Handelspartner mit einem Volumen von 43,9 Milliarden Euro im Jahr 2020. Aber auch umgekehrt ist Nordrhein-Westfalen natürlich ein wichtiger Business-Partner für das Reich der Mitte: So gingen 2020 über 27% der deutschen Importe aus China in unser Bundesland.

Vor dem Hintergrund der „One Belt One Road“-Strategie der chinesischen Regierung sehe ich auch durchaus Potenzial, dass das Handelsvolumen zwischen beiden Ländern noch weiter steigen wird. Nordrhein-Westfalen ist der wichtigste Verkehrsknotenpunkt in Europa und ein starker Logistikstandort mit einer hochentwickelten Infrastruktur. In Duisburg haben wir den weltgrößten Binnenhafen, der gleichzeitig die Endstation des ersten China-Europa-Zugs „Yuxinou“ ist.

Diese Güterzugverbindung hat sich seit ihrer Einrichtung 2011 voll etabliert – mittlerweile verkehren bis zu 60 Züge pro Woche in guter Auslastung. Für die Verbindung zwischen Nordrhein-Westfalen bzw. Deutschland und China spielt dies eine entscheidende Rolle und eröffnet weitere Möglichkeiten, das große bilaterale Potenzial zu entwickeln.

CIHD: Welche Unterstützung oder Maßnahmen konnten Sie während der Covid-19 ausländischen Investoren gewähren?

Die Corona-Pandemie stellt die Welt, Europa, Deutschland und Nordrhein-Westfalen vor andauernde Herausforderungen. Täglich erreichen uns neue Nachrichten – Unwägbarkeiten stehen auf der Tagesordnung. Das betrifft nicht nur unsere lokale Wirtschaft, sondern auch Investoren aus dem Ausland. Hier sind Flexibilität und Durchhaltevermögen gefragt.

Als Außenwirtschaftsförderung des Landes haben wir Unternehmen von Anfang an unterstützt. So haben wir unsere Kommunikation auf Corona-Themen umgestellt, um ausländische Firmen in NRW in dieser Situation bestmöglich zu beraten, zum Beispiel zu den Corona-Hilfen. Außerdem haben wir unsere Dienstleistungen auf digitale Formate umgestellt: Durch Webinare, virtuelle und hybride Events, digitale Delegationsreisen sind wir in ständigem Kontakt mit Partnern und Unternehmen in China. Das bieten wir sicherlich auch weiterhin an, aber wir freuen uns auch wieder auf Präsenzveranstaltungen, Networking und Reisen.

Aber manchmal sind es ja auch die kleinen Hilfestellungen, die Unternehmen in einer solchen Situation am meisten bringen: So unterstützt NRW. Global Business zum Beispiel aufgrund der aktuell verschärften Einreiseregelungen zahlreiche chinesische Unternehmen bei der Beantragung von Visa für die notwendige Einreise chinesischer Mitarbeiter nach Deutschland.

CIHD: Wie bewerten Sie persönlich die Zunahme chinesischer Investitionen in Deutschland?

Nordrhein-Westfalen ist der bedeutendste Investitionsstandort für chinesische Unternehmen in Deutschland und Europa. Unsere Wirtschaftsbeziehungen pflegen wir seit Jahrzehnten intensiv und werden dies selbstverständlich auch weiterhin tun.

Bereits seit den 1980er-Jahren kooperiert das Land Nordrhein-Westfalen mit den Provinzen Jiangsu, Sichuan und Shanxi. Heute haben sich über 1.200 chinesischen Firmen hier angesiedelt, Tendenz weiterhin steigend. Sie schätzen unseren Standort als Brücke in den deutschen und europäischen Markt. Unter Ihnen sind Global Player wie Donghua, Huawei, Lenovo, Minmetals, Shanggong, Wisco, Wolong, XCMG, Yanfeng Automotive Interiors oder ZTE sowie zahlreiche klein- und mittelständische Unternehmen.

Im Laufe der Zeit haben sich bestimmte chinesische Branchencluster in Nordrhein-Westfalen herausgebildet: So sind zahlreiche Firmen aus den Bereichen Logistik, Telekommunikation und Maschinenbau vertreten, seit kurzem ist auch Medizintechnik auf dem Vormarsch. Ganz aktuell stellt beispielsweise Wuxi Biologics stellt an zwei Standorten in Nordrhein-Westfalen Wirkstoffe für COVID-19-Impfstoffe her.

Mit unseren fünf chinesischen Auslandsbüros in Beijing, Shanghai, Nanjing, Guangzhou und Chengdu bietet NRW. Global Business interessierten Investoren einen optimalen Service direkt vor Ort – von Informationen zu Märkten, Standorten oder Investitionsbedingungen bis hin zu praktischen Hilfen bei konkreten Ansiedlungsvorhaben. Daneben ist China natürlich auch für unsere nordrhein-westfälische Wirtschaft ein wichtiger Markt. Über 1.000 NRW-Unternehmen, darunter Bayer, Lanxess, Mennekes, Metro, Phoenix Contact oder Vaillant, haben Niederlassungen im Reich der Mitte.

CIHD: Wann waren Sie zum letzten Mal in China? Welche Eindrücke haben Sie bislang dort gesammelt?

Ich habe China tatsächlich das letzte Mal kurz vor dem Ausbruch der Corona-Pandemie zum Jahreswechsel 2019/2020 besucht, auch weil mein Sohn für ein Semester an der renommierten Tsinghua-Universität in Beijing studiert hat. China ist nach meinem Eindruck ein sich rasant modernisierendes Land, das sehr an der Zusammenarbeit mit internationalen Partnern in ganz unterschiedlichen Bereichen interessiert ist. Und genau hier setzten wir mit unserem Unterstützungsangebot als NRW. Global Business an.

CIHD: Welche Elemente sind aus Ihrer Sicht entscheidend für eine enge oder gar engere chinesisch-deutsche Kooperation?

Von der Partnerschaft zwischen Deutschland bzw. Nordrhein-Westfalen und China profitieren beide Seiten, das sollten wir uns immer bewusst machen und entsprechend offen miteinander umgehen. Natürlich stoßen wir auch mal auf Hürden in der Zusammenarbeit, das gehört bei internationalen Kooperationen, in denen ja oft auch unterschiedliche Perspektiven aufeinandertreffen, einfach dazu. Wichtig ist, in solchen Situationen gemeinsam lösungsorientiert vorzugehen und offen miteinander zu kommunizieren. Denn in der Regel überwiegen meist die gemeinsamen Interessen beider Länder gegenüber den vermeintlich unüberbrückbaren Differenzen.

CIHD: Welche kulturellen Gemeinsamkeiten und welche Unterschiede sehen Sie zwischen Chinesen und Deutschen?

Obwohl die Mentalität der Menschen auf den ersten Blick so verschieden erscheint, verbindet Chinesen und Deutsche tatsächlich eine ganze Menge. Werte wie Fleiß und Leistungsbereitschaft, eine hohe Affinität zu Bildung und ausgeprägte Zielorientierung findet man in beiden Nationen. Die genaue Ausprägung unterscheidet sich dann allerdings.

Während in China ein Projekt beispielsweise ohne tiefe Diskussion einfach mal gestartet und dann mit laufender Anpassung der Prozesse vorangetrieben wird, mögen es die Deutschen, erst einmal alles durchzuplanen und mögliche Risiken abzuwägen, bevor es losgehen kann. Sicherlich haben beide Vorgehensweisen Vor- und Nachteile. Mit Blick auf die erfolgreiche Positionierung von Chinas Tech-Konzernen am Weltmarkt kann man bestimmt auch sagen, dass Chinesen gegenüber Innovation und neuen Technologien offener sind als Deutsche, die hier oft etwas zurückhaltender agieren.

CIHD: Der chinesische Industrie- und Handelsverband in Deutschland e.V. ist eine Organisation, die sich zum Ziel gesetzt hat, eine Plattform für den deutsch-chinesischen Unternehmensaustausch zu schaffen. Welchen Rat haben Sie für CIHD, weiterhin eine gute Zusammenarbeit zu fördern?

Der CIHD leistet wertvolle Arbeit für den deutsch-chinesischen Wirtschaftsdialog und ist mit seinem umfassenden Netzwerk eine wichtige Institution am China-Standort Nordrhein-Westfalen! Insofern freuen wir uns auf die weitere Zusammenarbeit!

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